Marcos Abenteuer

Mit den Abenteuern des kleinen Marco veröffentlicht Studio 100 einen zeitlosen Serienklassiker von Nippon Animation Studios. Für die Regie bei dieser japanischen Anime-Serie zeichnet kein Geringerer als Isao Takahata verantwortlich, der auch schon „Heidi“ als Zeichentrick verfilmte. Isao Takahata gilt heute als Altmeister des japanischen Trickfilms, er wurde 2009 beim Internationalen Filmfestival von Locarno mit dem Ehrenleoparden für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

Tatsächlich sieht man „Heidi“ und „Marco“, die 1974 und 1976 entstanden, einen gewissen Verwandtschaftsgrad an. Rein äußerlich sind sich das Mädchen aus den Schweizer Bergen und der Junge aus Genua nicht unähnlich. Die schwarzen Haare, das fröhliche Lachen, die rundlichen Körper, aber auch ihr außerordentlicher Bewegungsdrang, die Freude möglichst alles im Laufschritt zu erledigen, eint die beiden Charaktere. Ebenso teilen sie ein zutiefst gutartiges Naturell, eine freundliche, offene und eine vorurteilsfreie Haltung, die nur schwer zu erschüttern ist. Die Abenteuer beider Helden sind Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt und Kinderbuchklassikern entlehnt. So diente Edmondo de Amicis Buch „Cuore“, das übrigens zu den meistgelesenen Kinderbüchern Italiens zählt, den Marco-Geschichten als Vorlage.

Marcos Abenteuer beginnen, als seine Welt noch in allerbester Ordnung scheint. Die Familie Rossi unternimmt einen Sonntags-Ausflug ans Meer. Am Strand angekommen, wird das Pferd von der geliehenen Kutsche ausgespannt und Marco bestaunt die Reitkünste seines älteren Bruder Tonio. Vater Pietro und Mama Anna unterhalten sich ernst, während die Söhne herumtollen.

Dunkle Wolken brauen sich am Horizont zusammen und bedrohen das Familienidyll. Der Vater hat sich aus Nächstenliebe hoch verschuldet, in dem er sein Krankenhaus auch für Arme geöffnet hat. Die Eltern wissen sich keinen anderen Rat mehr und kommen zu einem drastischen Schluss. Mama Anna wird nach Argentinien auswandern, um dort Geld für die Familie zu verdienen.

Für den kleinen Marco ist der Verlust seiner geliebten Mama ein Drama. Er braucht sie noch viel zu sehr. Doch es kommt zum herzzerreißenden Abschied und Marco bleibt mit den anderen Männern seiner Familie in Genua zurück.  Fortan wartet der kleine Junge sehnsüchtig auf jedes Schiff, das Post von seiner Mutter bringen könnte. Als die Briefe jedoch eines Tages ausbleiben, macht er sich, gemeinsam mit seinem kleinen Äffchen Pepino, auf den langen Weg übers Meer zu einem fernen Kontinent, um seine Mutter zu suchen. Auf seiner abenteuerlichen Reise nach Argentinien muss er so manche Prüfung bestehen, doch die Hoffnung, seine Mutter wiederzufinden, gibt ihm Kraft und führt ihn letztendlich zum Ziel.

Erstaunlich und bewundernswert, mit welch leichter Hand die Zeichentrickserie die hochaktuellen wie brisanten Themen, den Verlust der Mutter durch Emigration, Armut,  Schulden, Kinderarbeit, sogar Alkoholismus beim Schopfe packt und in ein mitreißendes Abenteuer mit dramatischen Wendungen zu einem großen Ganzen verwebt.

Die 52 Folgen à 25 Minuten schlagen  hauptsächlich kleine, aber auch große Zuschauer in Bann, denn humorige Höhen und herzergreifende Tiefen halten sich die Waage.  Anrührend und atemberaubend, wie der kleine Marco sein Schicksal annimmt und schon früh eine Selbstständigkeit an den Tag legt, wie sie die Not der Familie erforderlich macht. Doch trotz materieller Sorgen ist Marco ein reiches Kind Italiens, gesegnet mit viel Gefühl, Fantasie und einer Menge Sonne im Herzen. Diese positive Energie begleitet ihn durch die atmosphärisch dichten Episoden, ob im malerischen Genua des vergangenen Jahrtausends, bei der aufregenden Atlantiküberquerung oder im exotischen Südamerika.

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