„Bewegung und freies Spiel sollen ja sehr wichtig sein für die Entwicklung. Mein Sohn David – er ist gerade 9 Jahre alt geworden – will aber immer nur am Handy spielen oder YouTube-Videos anschauen. Nicht mal auf den Spielplatz oder ins Schwimmbad lässt er sich
locken. Was soll ich tun? Muss ich überhaupt etwas unternehmen, oder liegen bei meinem Sohn eben die Begabungen im IT-Bereich?“
Liebe Frau B., genau diese Frage stellen sich sehr viele Eltern. Viele Kinder sind stundenlang mit ihrem Handy beschäftigt. Einmal begonnen, fällt es nicht nur Kindern sehr schwer, das Handy wieder wegzulegen. Für Kinder und Jugendliche (übrigens genauso wie für viele Erwachsene) stellen Filme und Spiele, das schnelle Abrufen von Informationen etc. eine riesige Faszination dar. Gleichzeitig ist die Welt der Smartphones nicht das echte Leben.
Was brauchen nun Kinder für eine gute Entwicklung?
Kinder brauchen Erfahrungen mit allen Sinnen. Wie riecht es im Wald? Wie schwer ist ein Baumstamm? Und wie fühlt es sich an, über einen Waldboden zu rennen? Solche Erfahrungen prägen Kindheiten: „Weißt du noch als wir damals die Äpfel vom Baum geschüttelt haben und dann Apfelmus gemacht haben?“
Kinder brauchen Bewegung, um ein einiges Körpergefühl zu entwickeln: auf Bäume klettern, sich im Matsch wälzen, auf dem Spielplatz Fange spielen. Diese Erfahrungen mit dem eigenen Körper machen Kinder selbstbewusster und geschickter. Dabei geht es nicht um Leistung, sondern um Spaß und Vergnügen.
Kinder brauchen reale Beziehungen zu anderen Kindern und Erwachsenen. Nur so können sie den Wert langfristiger Beziehungen, die von Nähe, aber auch von gelegentlichen Konflikten und Distanz geprägt sind, kennenlernen. Kinder brauchen die Erfahrung, dass Gespräche, gemeinsames Tun, aber auch Langeweile und Konflikte zu Beziehungen gehören. Jemanden auf WhatsApp zu blockieren, wenn es Ärger gab, passt nicht dazu.
Kindheit ist in der Regel – gemessen an der gesamten Lebenszeit – eine sehr kurze doch sehr prägende Zeit. Frage ich Erwachsene in der Beratung nach einem schönen Kindheitserlebnis, bekommen viele noch nach Jahrzehnten leuchtende Augen: „Als ich im Wald mit meinem Bruder Indianer gespielt habe..“ Diese Begeisterung für das Leben bringen Kinder mit. Darum sind Erlebnisse als Kind auch so eindrücklich. Darum ist das Spielen, Rennen und Toben, das Erleben der Natur ein wichtiger Teil des Kindseins. Gönnen Sie Ihren Kindern die Erfahrungen, die sie in der Regel nur als Kind machen können: in Pfützen springen, Stöcke sammeln, Regenwürmer beobachten…
Die Beschäftigung mit Smartphones engen Kinder mit ihren enormen Fähigkeiten, die Welt mit allen Sinnen zu entdecken, unnötig ein. Kinder können viel mehr als sich mit einem Handy auf dem Sofa zu beschäftigen. Allerdings brauchen sie Eltern, die diese Haltung wirklich vertreten und Regeln für die Handy-Nutzung mit ihnen aushandeln.
Nur durch diese Begrenzung eröffnet sich der Raum für Erlebnisse, die Kinder nie vergessen und die, die Grundlage für das spätere Leben sind. Darum wünsche ich Ihnen, dass Sie mit ihrem Sohn Vereinbarungen über die Handynutzung treffen und dabei auch bereit sind Konflikte in Kauf zu nehmen.
Und übrigens:
Auch ein späterer IT-Mitarbeiter begeistert sich als Kind für das Matschen in der Sand-kiste…