Was wirklich zählt: Die Beziehung zu meinem Kind

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Wir haben zwei Kinder – Sami ist 7 Jahre, Mila ist 5 Jahre. Im Lockdown hängen die Kinder noch mehr an mir als sonst.  Vorlesen, verhakten Reißverschluss hochziehen,  Rechenaufgaben nachschauen… Ich hätte so gerne, dass mein Mann sich da mehr engagiert. Wie kann ich das erreichen.

Gerade in den letzten Wochen und Monaten habe ich mit vielen sehr überlasteten Eltern gesprochen – oft sind es die in Teilzeit arbeitenden Mütter, an denen die Betreuung der Kinder bei eingeschränkten Sportangeboten und Freizeitbeschäftigungen im Lockdown besonders hängen.

Aber ist es aktuell wirklich so grundlegend anders als vorher?

Kaum ist das Kind auf der Welt stellt sich die Frage, wie teilen wir uns die Zeit mit dem Kind auf. Dabei wird viel über die Organisation der Betreuung gesprochen, wer arbeitet wann wieviel? Wann kommt das Kind in die Krippe oder Kita usw… Das alles muss natürlich geklärt werden.

Aber die eigentliche Frage ist: Was für eine Beziehung möchte ich zu meinem Kind haben? Diese Frage wird selten miteinander als Eltern in dieser Klarheit besprochen. Dabei ist das doch die entscheidende Frage. Wie möchte ich meine neue Rolle als Mama oder Papa leben? Welche Erfahrungen möchte ich meinem Kind für sein Leben mitgeben?

Für Kinder sind die Eltern die wichtigsten Menschen auf der Welt – ohne jegliche Vorbedingung.

Das ist eine wunderbare Erfahrung für Eltern und gleichzeitig bringt sie eine große Verantwortung mit sich. Denn Eltern entscheiden, wie sie mit ihren Kindern umgehen. Das sind täglich kleine Alltagsentscheidungen. Räume ich die Spülmaschine aus, oder lese ich meinem Kind vor? Bleibe ich abends noch ein bisschen am Bett bei meinem Sohn sitzen, weil er Angst im Dunkeln hat? Spiele ich Lotti Karotti engagiert mit den Kindern, oder habe ich den Kopf bei der Arbeit? Schreie ich meine Kinder an, wenn ich gestresst bin und rechtfertige es vor mir „Es ist auch mal wichtig, sich durchzusetzen!“?

Wie Eltern sich in diesen Situationen entscheiden, hängt auch von den Erfahrungen aus der eigenen Kindheit ab. Wie habe ich meinen Vater und meine Mutter erlebt?

Nun zu Ihrer Frage:

Es wäre spannend, was Ihr Mann mit seinem eigenen Vater erlebt hat. Hat er selbst als Kind positive Erfahrungen gemacht – dann ist es meist leichter. Hat er wenige oder schwierige Erfahrungen mit den eigenen Eltern gemacht, dann braucht es etwas mehr Überlegungen, um in die Elternrolle hineinzuwachsen. Sprechen Sie doch einfach miteinander über ihre Rolle als Mama oder Papa – auch was Sie sich von Milas und Samis Papa wünschen. Überfällt sie bei diesen Thema eine große Sprachlosigkeit, kann Ihnen auch eine Erziehungsberatung helfen.

Immer wieder erlebe ich, dass Eltern sich ihrer eigenen Bedeutung für die eigenen Kinder gar nicht klar sind. Für Sami und Mila hat es einen besonderen Wert, dass ihre Eltern mit ihnen im Wald Stöcke suchen oder sich mit ihnen über die Kindergarten und Schulfreunde unterhalten. Und dann ist es völlig egal, dass der Papa nicht genau weiß, wie man einen Bogen baut oder die Mama erstmal die Freundinnen Lea und Lia verwechselt.
Manchmal lassen sich Eltern auch nicht gegenseitig den Raum für die eigene Beziehung zum Kind. Mama ist ein anders als Papa und das ist eine Bereicherung – immer vorausgesetzt, dass gewaltfrei erzogen wird.
Das klingt jetzt alles ganz einfach. Aber für Beziehung braucht es Zeit – das ist in der Beziehung zu den Kindern nicht anders als in der Partnerschaft oder Freundschaft. Sich diese Zeit zu nehmen, ist für viele Eltern nicht leicht. Dafür braucht es eine bewusste Entscheidung: jetzt sind die Kinder klein, jetzt wollen sie mit mir spielen – jetzt nehme ich mir die Zeit. Übrigens können sich nur wenige Eltern von Kindern im Vorschulalter vorstellen, wie schnell Eltern ihren Reiz als interessante Spielpartner verlieren.

Neulich meinte ein Vater in einer Familienberatung, er möchte so gerne Plätzchen mit seinen Kindern backen. Seine Tochter sah ihn fast etwas mitleidig an: „Das hätte mir vor 10 Jahren sicher auch Spaß gemacht.“

Das gemeinsame Tun, Spielen, Reden, Quatsch machen und das Wissen, wie wichtig Sie als Mama oder Papa für Ihre Kinder sind, hilft Beziehung zu stärken. Diese grundlegende Erfahrung mit den eigenen Eltern nehmen Kinder mit in ihr Erwachsenenleben. Es hilft ihnen in guten Zeiten und in Krisen. Und vor allem dabei: selbst fröhliche Eltern zu werden.

Bettina Müller Erziehungsberatung

Erziehungsberatung
Die Diplom-Psychologin Bettina Müller vom Kinderschutzbund Ulm/Neu-Ulm beantwortet in „Kinder in der Stadt“ gerne Ihre Fragen rund um die Erziehung, selbstverständlich ohne Namensnennung. Sie erreichen Frau Müller über den Kinderschutzbund Tel. 0731 28042