Nachhaltigkeit: Wilder Radler-Pulk

Wenn Sie sich an einem Freitagabend mitten auf der Straße plötzlich in einer Schar fröhlich klingelnder Radfahrer wiederfinden, dann schließen Sie wahrscheinlich gerade Bekanntschaft mit der „Critical Mass“: Laut Straßenverkehrsordnung gelten für mehr als 15 gemeinsam fahrende Radler andere Regeln als für einzelne. Für diesen „geschlossenen Verband“ ist die Radwegepflicht aufgehoben, und die Radler dürfen nicht nur, sondern sollen sogar auf der Fahrbahn und nebeneinander fahren, um als Verband erkennbar zu sein. Dieses Recht nutzt die „Critical Mass“, um auf die Bedürfnisse der Radfahrer an guten, sicheren Radwegen (einer besseren Infrastruktur) aufmerksam zu machen. Aufmerksamkeit erhält die „Critical Mass“ auf jeden Fall im Kreisverkehr und vor allem an Kreuzungen, denn als Verband müssen sie immer zusammenbleiben: „Wenn da, wie in Hamburg mehrmals geschehen, mehr als 5000 Teilnehmer an der Ampel warten, und dann, wenn die Vordersten bei Grün losfahren, alle hinterherfahren, dann ist die Kreuzung halt mal ´ne Dreiviertelstunde lang blockiert“, erzählt ein Teilnehmer, der dort schon mitgefahren ist. In Ulm sind die „Critical-Mass“-Anhänger erst vor fünf Jahren sichtbar in Erscheinung getreten; wann genau es richtig losging, weiß niemand, da die „Critical Mass“ eine quasi wild wuchernde Pflanze ist: Es gibt keine Organisatoren und keine Ordner. Inzwischen hat sich der Münsterplatz als Treffpunkt herauskristallisieret, und am letzten Freitag im Monat fahren dort um 18.30 Uhr manchmal schon mehr als hundert Radler los. Jeder auf zwei Rädern, auch mit Anhänger, ist willkommen. Das Tempo ist mit zwölf bis 15 Stundenkilometern kinder- und seniorenfreundlich. Und sicher ist es auch: Obwohl dieser wilde Radausflug keine Demo sein will und mangels Organisatoren und Anmeldung auch nicht sein kann, fährt seit einiger Zeit die Polizei dem Pulk voraus und hinterher. „Darüber sind wir ganz froh“, sagt Sven Hamich, der schon seit längerem regelmäßig dabei ist: „Die Autofahrer haben früher oft recht aggressiv auf uns reagiert; seit die Polizei dabei ist, bleibt alles friedlich.“ Vielleicht wird es bald sogar eine angemeldete Fahrraddemo für Familien geben: Der ADFC (Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club) Ulm hat zwar wegen Corona die Planung verschoben, will aber so bald wie möglich eine angemeldete „Kiddical Mass“-Tour veranstalten. alg

www.criticalmassulmneuulm.wordpress.com

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