Zwischen Fürsorge und Überbehütung

Frau G.:
Mein Mann sagt immer ich sei eine Helikoptermutter, weil ich meine Kinder regelmäßig zum Sport fahre. Natürlich möchte ich, dass es meinen Kindern rundherum gut geht und sie stark fürs Leben werden. Aber ist das nicht normal oder bin ich schon eine Helikoptermama?

Ihre Frage verstehen ich so: Was ist der Unterschied zwischen einer fürsorglichen und über behütenden Erziehung?
Zuerst ist mir wichtig, dass Kinder Fürsorge und Geborgenheit brauchen, um gesund groß zu werden. Gleichzeitig brauchen Kinder Regeln und Grenzen, um sich orientieren zu können. Dabei sind Kinder eigene Persönlichkeiten, mit besonderen Fähigkeiten und Bedürfnissen. Darum brauchen Kinder auch Eltern, die ihnen ein echtes Gegenüber sind. Einerseits müssen sie wissen: Was gefällt meinen Eltern, welche Vorstellungen vom Leben haben sie, was sind ihre Träume und worüber regen Sie sich auf? Andererseits müssen sie ihre eigenen Erfahrungen machen. Dazu brauchen sie Eltern, die ihnen auch Misserfolge zumuten und die Scheitern als Teil des Lebens begreifen. Leistungsdruck und zu hohe Erwartungen verunsichern Kinder und bringen keinen Erfolg.
Kurzum: Kinder brauchen Eltern, die Vertrauen in ihre Kinder, sich selbst und die Welt haben. Nur so können sie ihre Kinder ermutigen, das Leben zu wagen. Als Kindergartenkind heißen die Wagnisse zum Beispiel Klettergerüst und Schnitzen, als Schulkind Lesen lernen und einen Schulwechsel verkraften. Egal wie alt Kinder sind: Sie brauchen Eltern, die ihnen optimistisch zur Seite stehen.
Wagen Eltern, Kinder auch unbeaufsichtigt draußen mit Gleichaltrigen spielen zu lassen, können Kinder unschätzbare Erfahrungen jenseits der Erwachsenenwelt machen. Lernen ohne Bildungsplanziele und ohne die Obhut eines Erwachsenen ist wichtig fürs Groß werden.
Schief läuft es da, wo Eltern dem Kind alles abnehmen und ihnen keine Enttäuschung und keinen Frust zumuten wollen: Bin ich als Mutter oder Vater so auf mein Kind zentriert, dass ich alle meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse durch mein Kind verwirkliche, verliert das Kind die eigenen Eltern als Orientierung. Das Kind wird dann zum elterlichen Projekt, das erfolgreich sein soll.
Helikoptereltern spielen übrigens am liebsten selbst mit ihren Kindern, um die Kontrolle über ihre Kinder zu behalten. Auch wollen sie das eigene Kind vor den Konflikten unter Gleichaltrigen schützen.
Es mag überraschend erscheinen, dass gerade diese überbehüteten Kinder wenig empathisch sind – wo ihnen doch ihre Eltern emotional so zugewandt sind! Kinder brauchen jedoch zur Entwicklung von Mitgefühl und Empathie einen Zugang zu ihren eigen Gefühlen. Die eigenen Gefühle kennenzulernen ist aber schwer, wenn die Eltern ihre eigenen Gefühle in die Kinder legen und mit dem Kind verschmelzen. Da bleibt kein Platz für das eigene Gefühlsleben des Kindes.
Kinder fürs Leben stark machen, heißt ihnen Raum zu geben, eigene Erfahrungen zu machen und da zu sein, wenn sie Hilfe brauchen.
Die Frage, ob Sie eine Helikoptermutter sind, können Sie sich nur selbst beantworten, vielleicht hilft Ihnen dabei meine Antwort.