Porno auf dem Kinderhandy

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Pornographische Videos hat eine Mutter auf dem Smartphone ihres zehnjährigen Sohnes entdeckt: Ein Mitschüler hatte die Filme in den Klassenchat der fünften Klasse gestellt – und in viele andere Gruppen auch, wie sich herausstellte.

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„Solche Fälle treten seit mehreren Jahren immer öfter auf, und die Altersgrenze sinkt“, bestätigt Kriminaloberkommissar Lambert, der bei der Polizeiinspektion Neu-Ulm den Arbeitsbereich „Kinderpornographie und sexuellen Missbrauch von Kindern“ leitet: „Die Kinder haben immer früher Handys, und über die soziale Medien kann man solche Daten ganz einfach untereinander tauschen.“

„Das war doch nur Spaß“, habe sich der Junge gerechtfertigt, der die Pornos eingestellt hatte, berichtet die Mutter, die das Ganze entdeckt hat. Gut für ihn, dass er selbst erst elf und damit noch drei Jahre lang „strafunmündig“ ist Laut Gesetz ist es ein Vergehen, Minderjährigen pornographische Inhalte zugänglich zu machen. Mindestens eines der Videos fällt unter sog. Kinderpornographie (Anmerkung: die Medien sprechen in diesem Zusammenhang auch gerne von sexuellen Missbrauchsdarstellungen an Kindern, weil der Begriff „Kinderpornografie“ die Inhalte verharmlose. Die Polizei spricht in der Regel jedoch von Kinderpornografie, da der Begriff sich auf den juristischen Tatbestand bezieht, der im Strafgesetzbuch so genannt wird.– mit einer Sechsjährigen als Opfer (euphemistisch: „Hauptdarstellerin“); hier ist bereits der Besitz strafbar.

Das alles war dem Jungen offenbar nicht klar gewesen – ebenso wie seinen Mitschülern und offenbar auch deren Eltern. Kriminaloberkommissar Lambert befürwortet deshalb mehr Aufklärung der Eltern, am besten über die Schulen, weil dort alle erreicht werden können. Die Polizei hält schon systematisch Vorträge an allen Schulen, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten, denn da gibt es ja auch noch Themen wie Gewalt und (Cyber-)Mobbing, die den Schulen auf den Nägeln brennen. Pornographie ist „nur“ eines der Risiken, die mit dem Besitz eines Handys verbunden sind. Lambert plädiert deshalb ganz entschieden für regelmäßigen Unterricht in Medienkompetenz.

Solange die Kultusministerien dieses Fach nicht in den Lehrplan schreiben, können die Schulen allenfalls improvisieren; das tun schon einige. An der Emil-Schmid-Mittelschule in Neu-Ulm beispielsweise wird der richtige Umgang mit dem Handy in verschiedenen Fächern mitthematisiert, und es werden auch eigene Workshops dazu angeboten.

Grundsätzlich gilt an der Schule natürlich ein Handy-Verbot, „da gibt es ganz klare Regeln an bayerischen Schulen“, betont Schulleiter Gerhard Schurr und fügt hinzu: „Wir wären dankbar, wenn die Schüler sich daran hielten und wenn die Eltern uns dabei unterstützen würden.“ Mit Handys haben Schulen immer Ärger: „Da wird über die Toilettentür gefilmt, Unterschleif organisiert und gemobbt, und zwar in allen Klassenstufen, dabei sind soziale Netzwerke für Kinder gar nicht erlaubt“, berichtet der Schulleiter. „Darum sind wir massiv gegen Handys“.

Scheinbar „nur“ ein technisches Hilfsmittel, entpuppt sich das Handy tatsächlich als Superspreader soziopathischer Symptome: Hatte in der analogen Vergangenheit ein Junge ein Pornoheftchen ergattert, überlegte er sich gut, wem er das zeigen wollte, denn es bestand ja immer die Gefahr, dass der andere ihn „verpetzen“ könnte. „Heute stellt ein Junge nicht nur Bilder, sondern Videos öffentlich in mehrere Chatgruppen – und keiner sagt auch nur ein Wort; stattdessen verbreiten sich die Videos rasant, denn die Provokation gilt jetzt als „Spaß“, und wer etwas dagegen sagt, riskiert, von der ganzen Gruppe gemobbt zu werden“, berichtet die betroffene Mutter.

Müssen Eltern also ohnmächtig zusehen? Im Gegenteil, meint Kriminaloberkommissar Lambert: „Die Eltern haben es in der Hand, ein Vertrauensverhältnis zu schaffen, damit die Kinder sich vertrauensvoll an sie wenden können, wenn sie online – oder auch im realen Leben – mit Inhalten konfrontiert werden, die ihnen unangenehm sind.“ Denn ein beruhigendes Gespräch ist genau das, was ein Kind dann braucht (siehe Kasten).

Aufgrund des jetzt angestoßenen Verfahrens wegen Verbreitung von Pornographie an Minderjährige will die Polizeiinspektion Neu-Ulm ihre Vorträge an den Schulen noch weiter ausbauen und nach Möglichkeit auch Elternabende anbieten. Die Vorträge sollen künftig bereits ab der vierten Klasse stattfinden, um Eltern und Schüler für das Thema rechtzeitig zu sensibilisieren.