Gericke: Zentralisierung der Geburtshilfe gefährdet sichere Geburt

Europaabgeordneter und Bundesvorsitzender der Familien-Partei kontert AOK-Forderung: Irritierende, weltfremde Einstellung / „Wohnortnähe statt Rotstiftdenken“ – Geburten sind keine planbaren Operationen

BRÜSSEL/BERLIN. Irritiert hat Arne Gericke, Europaabgeordneter der Familien-Partei sowie Experte für Soziales und Volksgesundheit der drittstärksten EKR-Fraktion im Europaparlament auf Forderungen des AOK-Bundesverbandes und seines   Wissenschaftlichen Instituts (WIdO) reagiert. Diese hatten heute eine Verschärfung Mindestmengenregelung und die weitere „Zentralisierung der Geburtshilfe“ gefordert: „Was die AOK uns da präsentiert, ist reines Rotstiftdenken und einer echten Gesundheitskasse im Grunde unangemessen. Geburten kann und darf man nicht durchs Raster planbarer Operationen betrachten. Zudem ist die größte Gefahr für die sichere Geburt sicher nicht mangelnde Erfahrung der Ärzte und Hebammen – lebensgefährlich werden für Mutter und Kind die zunehmende Überlastung des Personals sowie unverantwortlich weite Wege zur nächsten Geburtenstation.“ Ein Standpunkt, der europaweit gelte – „und auch im Europaparlament immer mehr Unterstützung findet“.

Deutschlands Krankenkassen und die Gesundheitspolitik dagegen handelten weiter nach dem „unverantwortlichen Kopf-in-den-Sand-Prinzip“, so Gericke. Längst betrachte man die flächendeckende Gesundheitsversorgung nicht mehr aus dem Blickwinkel der Öffentlichen Daseinsvorsorge: „Bundesgesundheitsminister Gröhe und die Kassen zwingen den verantwortlichen Kommunalpolitikern landauf, landab die bloße Sparbrille auf.“ Deise aber eigne sich längst nicht für alle medizinischen Bereiche – allen voran die Geburtshilfe: „Geburten sind keine planbaren Operationen. Leerlauf gehört ebenso in die Kalkulation wie teilweise Doppel- oder Dreifachbelegung und die wohnortnahe Versorgung. Wer sagt, Gebährende könnten problemlos 50 bis 60 Kilometer zur nächsten Geburtsklinik fahren, handelt verantwortungslos und gefährdet Mütter wie Kinder.“

Anders als die AOK fordert Gericke deshalb seit längerem einen „Masterplan Geburtshilfe“ für Deutschland und seine Länder. „Immer wieder muss ich erleben, dass die Schließung einer Geburtsklinik lediglich lokal diskutiert wird. Das Problem aber besteht längst bundesweit: je dünner das Netz, je unkoordinierter die Aufgabe der Stationen – desto gefährlicher die Entwicklung.“ Zudem bedeute eine höhere Auslastung der Stationen zu allererst eine „deutlich erhöhte und weit überzogene Arbeitsbelastung für das Personal – zusätzlich verstärkt durch einen eklatanten Hebammen-Mangel.“

Entsprechend fordert Gericke in seinem Entwurf eines „Masterplans Geburtshilfe“ bessere Bezahlung und Absicherung der Hebammen sowie EU-geförderte Pilotprojekte zur Einrichtung „kommunaler Geburtshäuser“ – „gegebenenfalls in einem genossenschaftlichen Verbund mit anderen medizinischen Angeboten im Sinn hochwertiger Ärztezentren“.