Verantwortung übernehmen

„Wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen!“ Das hatten schon die Umweltaktivisten der 70-er Jahre auf ihren Plakaten stehen, und davor warnen heute die Jugendlichen bei den „Fridays for Future“. Dazwischen ein paar Jahrzehnte weitgehend in der Versenkung verschwunden, hat der Gedanke sich dennoch weiterentwickelt: Hinter der Forderung nach „Nachhaltigkeit“ verbirgt sich nichts weniger als die Erkenntnis, dass alles und alle miteinander zusammenhängen und deshalb jeder einzelne Verantwortung für alle anderen und für die gemeinsame Zukunft mit trägt.
Nachhaltigkeit umfasst die Ökonomie, die Ökologie und das Soziale. „Diese drei Standbeine versuchen wir bei jedem Thema einzubeziehen“, sagt Petra Schmitz, die im Agendabüro der Stadt Ulm die Forderungen der Agenda 21 lokal umzusetzen versucht. „Unser Reparaturcafé zum Beispiel schont in erster Linie die globalen Ressourcen – das ist Ökologie –, es schont aber auch den Geldbeutel des Einzelnen (Ökonomie), und es bringt Menschen zusammen, das ist sozial, denn es stärkt die Gemeinschaft, die ja auch gemeinsame Ziele verfolgen soll, und es stärkt die Hilfsbereitschaft und Solidarität und macht damit das Zusammenleben friedlicher.“
Solidarität und funktionierende Nachbarschaft seien notwendig, „damit Konflikte nicht aus dem Ruder laufen“, meint Petra Schmitz. Es sei die Basis von Demokratie, das Menschen an dem, was um sie herum geschieht, beteiligt werden: „Wir müssen den Menschen ihre Selbstwirksamkeit aufzeigen, um zu verhindern, dass sie sich aus der gesellschaftlichen Verantwortung verabschieden in diese Haltung „Einer wird schon kommen und es für mich richten“, warnt sie. Die nächste Bewährungsprobe sieht sie schon kommen, wenn demnächst die öffentlichen Mittel knapper werden: „Dann schwindet die Solidarität“, weiß sie, und je weniger davon vorher da war, desto schlimmer könne es werden. Man brauche sich nur mal anzuschauen, was in den USA schon jetzt los sei – im Gegensatz zu Schweden, das auf einer tief verwurzelten Solidargemeinschaft aufbaut. „Eine solidarische Gemeinschaft kann vor Unruhen schützen“, ist Schmitz überzeugt.
Am besten funktioniert Solidarität natürlich in der engsten Umgebung; deshalb werden seit 30 Jahren immer neue lokale Agenden gegründet. Petra Schmitz erinnert an die „Transition Towns“ in Großbritannien, die sich intensiv mit Zukunftszenarien befassen (zum Beispiel: „Was machen wir, wenn es kein Öl mehr gibt?“) und versuchen, ihre Stadt jetzt schon so aufzustellen, dass sie mit Öl- oder anderen Krisen umgehen kann. Immer sei übrigens dabei eine der ersten Überlegungen, wie man dafür sorgen könne, dass das Geld in der Region bleibt. „Insofern hat Ulm da schon einen sehr guten Baustein: Der Ulmer City-Gutschein ist bereits eine Art regionaler Währung, denn er kann nur in hiesigen Geschäften eingesetzt werden.“
Grundsätzlich sei natürlich die „nachhaltigste“ Kaufentscheidung, „nur zu kaufen, was ich wirklich brauche“, sagt Schmitz. Und dann stünde man schon vor der nächsten Frage: „Welches Produkt ist nachhaltig?“ Helfen könnten dabei natürlich diverse Siegel, wenn man sich die Mühe gemacht habe, zu schauen, wofür sie wirklich stehen. Viele, gerade kleinere Betriebe, wirtschafteten aber auch ökologisch, fair und damit nachhaltig, leisteten sich nur einfach nicht das (in der Regel mit Aufwand und Kosten verbundene) Siegel. Deshalb sei es sinnvoll, im Laden oder auf dem Markt mit dem Verkäufer zu sprechen, rät Petra Schmitz. „Auch wenn sich herausstellt, dass dieser Händler nicht zu meinen Vorstellungen von Nachhaltigkeit passt, lernt dieser aus dem Austausch zumindest: Aha, die Leute interessieren sich, wie meine Produkte entstehen, es ist ihnen nicht egal.“
Gerade beim Lebensmitteleinkauf lohne es sich, regional und saisonal zu kaufen („Dann ist auch die Vorfreude größer auch die nächste Spargelsaison“) und natürlich sein Essen selbst zuzubereiten anstatt zum Fertigprodukt zu greifen, das nicht nur in der Regel ungesündere Zutaten enthalte, sondern auch schon im Herstellungs- und Transport-Prozess mehr Energie verbraucht habe als die gesamte Zubereitung in der heimischen Küche.
Auch für den Transport trifft die obige Losung zu: Der beste ist derjenige, der gar nicht stattfindet. Also: regional kaufen. Und: Selber nicht so viel herumfahren – jedenfalls nicht mit maschinengetriebenen Fahrzeugen, sagt Petra Schmitz und meint damit ausdrücklich auch die modischen E-Roller. „Sie sind nicht schneller als ein muskelgetriebenes Fahrrad, verbrauchen aber Strom (und der ist keineswegs immer ökologisch gewonnen!), brauchen Akkus (die immer eine Umweltsauerei sind) und sind nach einem Jahr kaputt – also alles andere als nachhaltig.“ E-Bikes gegenüber ist sie ein bisschen nachsichtiger. Sie seien zwar umweltschädlicher als das muskelbetriebene Fahrrad (und gefährlich, „wenn sich da Leute raufschwingen, die seit zehn Jahren nicht mehr gefahren sind), aber immer dann eine Verbesserung, „wenn sie Autofahrten ersetzen“.

Das Agendabüro der Stadt Ulm wurde 1999 auf Betreiben des Ulmer Initiativkreises nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, des ADFC und der Initiative U(l)m-Welt einschließlich BUND und NABU gegründet. Es ist die Geschäftsstelle für alle, die sich für Nachhaltigkeit engagieren wollen, Privatleute ebenso wie Vertreter von Vereinen, Institutionen und Unternehmen. Derzeit sind darin fünf Arbeitskreise mehr oder weniger aktiv: Energie, Mobilität, Bildung, nachhaltiger Konsum und „Landschaft, Freizeit, Naherholung“.