Der Bildschirm und das echte Leben

Meine Tochter ist 7 Jahre alt und mein Sohn 9 Jahre. Der Schul-Lockdown war eine große Herausforderung für uns alle. Die Kinder durften vorher immer eine halbe Stunde am Tablet sein. Je länger das Homeschooling dauerte, desto länger wurde die Bildschirmzeit bei uns – zuletzt waren es bis zu 2 Stunden. Jetzt will ich, dass die Kinder wieder mehr draußen spielen und ihre Freunde treffen. Das gibt es bei uns viel Streit, weil die Kinder oft keine Lust haben und am Tablet sind.

Vielen Dank für diese wichtige Frage, die sicher viele Eltern bewegt. Durch den Lockdown haben viele Familien sehr viel Zeit mit ihren Kindern zuhause verbracht. Das hatte sehr schöne Seiten: Der Termindruck war kleiner, das Miteinander z.B. beim Kochen oder Spielen war möglich. Gleichzeitig gab es auch viel Frust und Langeweile. Die Bildschirmzeit der Kinder, sei es als Belohnung oder als notwendige Aufgabe, weil noch ein Film fürs die Schule angeschaut werden musste, stieg in vielen Familien enorm.
Und jetzt? Einfach wieder in den Alltag vor der Krise kommen? Das wird in den wenigsten Familien so mühelos gelingen, denn Kinder haben keinen Reset-Knopf.
Kinder haben in den letzten Monaten Erfahrungen gemacht, z.B. dass das Lernen manchmal viel schneller ohne die ganze Klasse geht, dass man Abstand halten muss, um sich nicht anzustecken. Und jetzt ist alles wieder anders?
Der erste Schritt ist, dass Sie mit den Kindern besprechen, was ihnen die letzten Monate gefallen hat und was schwierig war. Und überlegen Sie sich auch als Eltern, was für Sie schön und was sie belastend oder anstrengend war. Die meisten Kinder freuen sich sehr, dass wieder mehr Alltag ist. Kinder können sich oft viel schneller als Erwachsene wieder auf neue Situationen einstellen – sie leben mehr im Hier und Jetzt. Trotzdem gilt es aufmerksam den Kindern zuzuhören: Steckt hinter dem „ich habe keine Lust“ vielleicht auch eine Angst: „Ist das Treffen mit anderen wirklich nicht gefährlich?“ Findet ein Kind den Corona-Test unangenehm und will darum nicht in den Sportverein?
Nun zu den digitalen Medien – viele Kinder benötigten das Tablet oder Laptop für die Schule. Das war eine neue Erfahrung für viele Kinder. Gleichzeitig sind Kinder auch in der freien Zeit digital unterwegs.
Je jünger die Kinder, desto weniger sinnvoll sind digitale Medien. Kind sein heißt die Welt zu entdecken – und zwar die reale Welt. Durch Pfützen patschen, Stöcke sammeln, sich das Knie aufschürfen, auf dem Spielplatz spielen, mit Freunden ein Versteck bauen. Daran
werden sich Ihre Kinder in 20 Jahren noch erinnern. Trotzdem kann man die digitale Entwicklung nicht einfach ignorieren.
Für den Umgang mit digitalen Medien brauchen Kinder Sie als Eltern. Sie entscheiden, wann Sie Ihrem Kind erlauben ein Tablet zu benützen oder auf dem Handy zu spielen. Die Wünsche der Kinder sind übrigens umso größer, je mehr Sie selbst als Eltern die digitalen Medien nützen. Sie selbst sind das Modell für Ihre Kinder auch in diesem Punkt.
Wie bei allen Erziehungsfragen ist es wichtig sich nicht an dem Satz der Kinder, „die Anderen dürfen aber zwei Stunden zocken“, zu orientieren. Das Problem löst das nämlich nicht. Sie selbst brauchen eine Haltung, was und wie lange ihr Kind digitale Medien nützen soll. Dafür brauchen Sie Informationen und praktische Anregungen, z.B. auf der Seite https://www.klicksafe.de. Und haben Sie eine Regelung getroffen ist es wichtig mit Geduld und Gelassenheit die Kinder immer wieder an die Vereinbarung zu erinnern und sich um deren Einhaltung zu kümmern. Das kostet Nerven und ist manchmal mit Konflikten verbunden.
Was übrigens auch dazu gehört: Sie brauchen Ideen, um Ihren Kindern das „echte Leben“ zu zeigen: beim Schwimmen, Rennen, Kicken, Lesen, Bauen, Kochen, Spielen, zuhören, Basteln, Feuer machen…. und was die Welt sonst noch zu bieten hat.

Bettina Müller Erziehungsberatung

Erziehungsberatung
Die Diplom-Psychologin Bettina Müller vom Kinderschutzbund Ulm/Neu-Ulm beantwortet in „Kinder in der Stadt“ gerne Ihre Fragen rund um die Erziehung, selbstverständlich ohne Namensnennung. Sie erreichen Frau Müller über den Kinderschutzbund Tel. 0731 28042