Familien haben eine eigene Kraft

Was Kindern und Eltern in Zeiten des Corona-Virus hilft

Kindertagesstätten und Schulen sind zu. Und plötzlich sind Familien auf sich gestellt. Keine Oma, die die Kinder betreut, keine Erzieherin, die sich um die Kinder kümmert. Und dann arbeiten viele Eltern auch noch von Zuhause aus.

Für Kinder ist alles, was so plötzlich anders ist, erstmal verwirrend oder sogar ängstigend. Die meisten Kinder beruhigen Rituale und die immer wiederkehrenden Abläufe im Alltag.  Aber auch für die Erwachsenen ist die Situation ungewiss und ängstigend: die Sorgen, selbst zu erkranken, vielleicht den Arbeitsplatz zu verlieren, oder die Miete nicht mehr zahlen zu können.

Die Sorgen der Erwachsenen spüren die Kinder – das ist Ausdruck der innigen Verbundenheit von Kindern und Eltern.  Viele Experten warnen vor dem Anstieg von Gewalt in der Familie.  Denn je höher die Belastung der Eltern, desto eher kommt es zu Gewalt gegen Kinder. Gewalt als Ausdruck der Überforderung und der Not der Erwachsenen.  Für Kinder ist dies dann eine kaum aushaltbare Situation. Das eigene Zuhause ist kein sicherer Ort mehr – umso schlimmer, weil sie nicht ausweichen können.  Kein Besuch bei einem Freund, kein Spielplatztreffen mit den Nachbarskindern. Ein Kind, dass bei unserem Hilfetelefon anrief meinte: „Kannst du der Mama nicht einfach sagen, dass sie aufhören soll zu schreien und mit mir kuscheln soll?“ Vor der Krise regelte sich manches durch den Alltag – der Tag im Kindergarten oder in der Schule schafften Zeiten, um Konflikte  zu beruhigen. Das fehlt nun.

Den ganzen Tag miteinander zu verbringen, das ist für jede Familie eine Herausforderung und da muss man nicht alleinerziehend sein, beengt wohnen oder sich gerade für eine Trennung entschieden haben.

Darum ist es nicht erstaunlich, dass bis auf wenige Ausnahmen alle ratsuchenden Familien, die schon vor der Corona-Krise Kontakt zu unseren Berater*innen hatten, weiter telefonisch Beratung möchten. „Wissen Sie, jetzt streiten wir uns schon den ganzen Morgen mit meiner fünfjährigen Tochter wegen des Aufräumens und ich verliere immer mehr die Nerven…“, meinte eine Mutter nach 2 Tagen ohne Kindergarten.

Gleichzeitig haben Familien in Krisen oft eine eigene Kraft. Denn fast jede Familie hat schon Erfahrungen mit Krisen – von Anfang an. Das Leben mit Kindern läuft selten wie geplant: da muss das Baby mit 5 Wochen ins Krankenhaus, weil es einen Infekt hat, da wechselt der Sohn die Schule, weil es massive Konflikten in der Klasse gibt usw. 

Darum sind viele Eltern gute Krisenmanager. Und darum ist es so wichtig sich in dieser Zeit auf diese Kraft und auf seine Phantasie zu besinnen. Stellen Sie bewusst das Positive in den Vordergrund. Überlegen Sie als Eltern was Sie an ihrem Kind mögen und was es gut kann. Und was machen Sie als Eltern richtig gut? Was klappt gut im Miteinander? Loben sie ihre Kinder und sich dafür. Und zwar von ganzem Herzen.

Dann erst überlegen Sie sich als Eltern, was Sie aktuell im Zusammenleben nervt. Und stellen Sie sich die Frage, ob es wirklich etwas mit Ihrem Kind oder viel mehr mit Ihrem eigenen Stress zu tun hat. Sprechen Sie mit Ihrem Partner oder einer Freundin darüber, was sie stresst. Vielleicht haben Sie gemeinsam gute Ideen. und vielleicht brauchen Sie für diese neue Situation einfach andere Regeln.  In der Badewanne darf jetzt zwei Stunden Playmobil gespielt werden. Die Matratze wird auf den Boden zum Toben gelegt… Besprechen Sie Ihre Vorstellungen mit den Kindern – oft haben Kinder selbst die besten Einfälle. 

Für viele Kinder kann es auch eine sehr schöne Erfahrung sein, dass ihre Eltern nun zuhause sind und vielleicht ein bisschen mehr Zeit haben.

Und wenn Sie merken, dass die Konflikte Sie oder die Kinder zunehmend belasten, suchen Sie sich telefonische Hilfe. Dabei ist es gut, nicht zu warten, bis die Situationen eskalieren, sondern sich schon vorher mit einer*m Berater*in auszutauschen. Eltern haben das Recht auf Beratung – die aktuelle Situation stellt Eltern vor besondere Herausforderungen. Alle Beratungsangebote in den Erziehungsberatungsstellen und Kinderschutz-Zentren sind für Eltern, Kinder und Jugendliche kostenfrei und auf Wunsch auch anonym.

Bettina Müller , Sonja Kroggel und das Team der Psychologische Beratungsstelle und des Kinderschutz-Zentrums des Kinderschutzbunds Ulm/Neu-Ulm e.V., Telefon 0731/28042