So entstand die Geschichte von Frosch und Schnecke

Kirsten Werner (links) und Caroline Jutzi. Foto: privat

Ein Interview mit den Caroline Jutzi und Kirsten Werner, den Autorinnen von „Carl Flesch für Kinder. Beide sind Violinistinnen und geben ihr Können und Wissen seit vielen Jahren an Kinder weiter. Beide Autorinnen haben Familien gegründet und musizieren selbst, am liebsten mit der eigenen Familien-Band.

1.   Woher kennt ihr beiden euch eigentlich?

Wir beide kennen uns schon richtig lange. Kirsten war 15 und ich 19 Jahre alt, als wir uns bei einem Meisterkurs für Violine das erste Mal begegnet sind. Kirsten hat so schön gespielt, dass ich sehr gerne bei ihren Stunden zugehört habe. Wir sind immer in Kontakt geblieben und haben auch eine ganze Weile Streichquartett zusammen gespielt. Mit der Geburt unserer Kinder sind wir noch enger zusammen gewachsen, denn der Umgang mit Kindern liegt uns beiden sehr am Herzen.

2.   Wie seid ihr auf die Idee zu dem Buch gekommen und was war zuerst da? Die Idee zum Kinderbuch oder das Übebuch?

Wir haben beide sehr ähnliche Vorstellungen, wie guter Geigenunterricht für Kinder aufgebaut werden sollte. Schon länger wollten wir das auch in einer geeigneten Form aufschreiben. Darüber hinaus ist es uns besonders wichtig, dass Kinder mit Freude und Spaß bei der Sache sind. Dafür haben wir uns die motivierende Geschichte von Schnecke und Frosch ausgedacht, die einfach Lust aufs Musizieren machen soll, aber zugleich auch eine schöne Geschichte zum Thema Freundschaft ist, bei dem man sich wohlfühlen und in die man sich hineinversetzen kann, auch wenn man nicht musizieren möchte. Insofern war zwar die Idee zum Übebuch einen Ticken früher geboren, aber das Kinderbuch folgte recht schnell nach.

3.   Was für eine Bedeutung hat Carl Flesch für Euch? War Carl Flesch schon immer ein Held für Euch? Was macht ihn so besonders?

Carl Flesch war sicher nicht schon immer ein Held für uns. Wir haben ihn sogar erst relativ spät, nämlich im Studium kennengelernt- dann aber mit durchschlagender Wirkung. Seine Geigenpädagogik hat uns systematisch auf dem Instrument weiter gebracht, wie ein roter Faden, der sich durch unser Arbeiten auf der Geige zieht. Daher ist es uns besonders wichtig, dieses systematische Arbeiten auch schon den kleinen Geiger/innen mit auf den Weg zu geben. Professionelles, strukturiertes Üben ist von Beginn an möglich.

4.   In welchem Alter habt ihr angefangen Geige zu spielen und wer oder was hat euch motiviert? Kirsten: Mein erstes Instrument war mit 5 Jahren das Klavier, doch ich war immer neidisch darauf, dass meine Schwester Geige lernen durfte. Still und heimlich habe ich mir dann von meinem Opa zum 9. Geburtstag eine Geigenstunde gewünscht und danach das Instrument nie wieder aus der Hand gelegt.

Caroline: Ich habe mit 5 Jahren mit dem Geigespielen begonnen und hatte das Glück, mit A.W. Torweihe einen begnadeten Kinderlehrer zu haben. Er war schon damals ein älterer Herr, der mit seiner einfühlsamen Art immer den Spaß an der Musik in den Vordergrund gestellt hat.

5.   Ihr gebt auch selbst Geigenunterricht. Muss man da besonders gute Nerven haben? (Weil die Töne die Anfänger auf einer Geige produzieren nicht unbedingt gut auszuhalten sind.)

Gute Nerven sind sicherlich von Vorteil, aber eher, weil Kinder so unterschiedlich sind, und jedes Kind eine individuelle Betreuung braucht. Genervt von den schiefen Tönen sind wir eigentlich nicht. Aber es dauert in der Tat auf der Geige relativ lange, bis ein schöner Ton erklingt. Genau das wollen wir in der Geschichte auch vermitteln: Durchhalten lohnt sich!

6.   Wie habt ihr eure Kinder ans Instrument gebracht oder sind die ganz von alleine gekommen?

Unsere Kinder hatten eigentlich kaum eine Chance, der Musik zu entkommen, da in zwei Musikerhaushalten irgendwie immer Musik im Haus ist. Die Eltern üben und spielen Konzerte, die Kinder gehen mit zu Aufnahmen und helfen von klein auf mit. Wie man sonst zum Teddybär greift, so haben alle unsere Kinder auch im wahrsten Sinne des Wortes mit der Geige gespielt. Die winzige Kindergeige wurde „Heia gelegt“ und zugedeckt, durfte zugucken und war in der ersten Zeit ein Spielzeug. Denn so soll es eigentlich erstmal sein, wenn es heißt „Geige spielen“.

Caroline: Mit 5 Jahren hat unsere jüngste Tochter dann die Harfe für sich entdeckt, als sie ein Konzert ihrer heutigen Harfenprofessorin gehört hatte. Von da an war klar: sie will Harfe spielen – und die Geige blieb von da ab im Kasten. Unser Sohn mochte schließlich das Schlagwerk lieber als die Geige – und hat auch den Sohn von Kirsten angesteckt. Das jüngste Kind der Runde und die Älteste sind bei der Geige geblieben.

„Heia gelegt“ wird die Geige heute zwar nicht mehr, aber die Geige ist auch im Urlaub immer dabei, auch wenn nicht geübt wird.

7.   Wie kann man Kinder neugierig auf ein Instrument machen? Ist Geige als Einstieg überhaupt sinnvoll, oder sollte man lieber mit einem anderen Instrument beginnen? Wenn ja, mit welchem?

Die Geige ist sicherlich für den Anfang kein einfaches Instrument. Aber gerade aufgrund der Komplexität des Instrumentes ist es sinnvoll, möglichst früh damit zu beginnen. Kirsten ist ein Beispiel, dass es auch anders geht – aber da muss dann schon eine besondere Begabung vorhanden sein. Wenn Kinder eine Tonhöhenvorstellung haben und zum Beispiel gut singen können, ist das fürs Geigespielen ein klarer Vorteil, da die Tonhöhen ja selbst gebildet werden müssen. Ist diese Vorstellung nicht vorhanden, ist ein Anfang auf dem Klavier mit fertigen Tonhöhen manchmal sinnvoll. Aber auch mit der Geige kann das Vermögen, Tonhöhen zu unterscheiden, gebildet werden. Das dauert manchmal länger, klappt aber meistens auch.

8.   Eure Töchter musizieren bei einigen Übungen für das Buch mit Euch gemeinsam und sind auch mit einigen Übungen solo zu sehen. Waren sie gleich begeistert von eurem Buchprojekt oder musstet ihr erst Überzeugungsarbeit leisten?

Kirsten: Unsere Kinder machen sehr gerne gemeinsam mit der Familienband Musik und so war es nicht die Überzeugungsarbeit, die ich leisten musste, sondern eher die Aufgabenverteilung, die eine Herausforderung darstellte. Beide wollten so oft wie möglich dabei sein und immer weiter machen. Vom Einsingen des Freundesongs, über Schlagzeug- und Geigenparts bis hin zur Sprecherrolle sind sie nun vertreten und voller Stolz ein Teil des Buches geworden.

Caroline: Unsere Mädchen waren sofort mit Feuereifer dabei. Schnecke und Frosch wurden augenblicklich ins Herz geschlossen. An der Geschichte und den Zeichnungen wurde gefeilt – und Video- und Audioproduktionen wirklich professionell vorbereitet und abgeschlossen. Auch unser Sohn hat den Frosch auf dem Marimba richtig lieb gewonnen und hatte viel Spaß bei den Aufnahmen. Es war ein gutes Stück Arbeit für alle Beteiligten! An dieser Stelle: Danke, Kinder, ihr habt das klasse gemacht!

9.   Was halten eure Kinder überhaupt von dem Buch und davon, dass ihre Mütter nun auch Autorinnen sind?

Die Kinder finden es richtig „cool“, auch wenn sie in ihren Augen noch weitaus bessere Ideen zu insta, tiktok und co. haben als wir. Da müssen wir uns in Zukunft sicher auch noch positionieren. Die Kinder haben sich an die täglichen Gespräche zwischen Kirsten und mir zu fast jeder Tages- und Nachtzeit gewöhnt, irgendwie sind wir alle ein bisschen zu einer großen Familie geworden. Und da von klein bis groß alle ihre Aufgabe bei unserem Projekt hatten, sind wir alle als Gemeinschaft begeisterte Schnecke und Frosch Fans.

10. Schnecke und Frosch sind zwei unterschiedliche Charaktere. Wer ist von Euch eher Schnecke und wer ist Frosch?

Kirsten: Die Schnecke ist verträumt und kann sich ganz in der Musik verlieren, sie kennt sich mit der Geige aus und lebt schon in dieser Musikwelt. Der Frosch hingegen ist begeisterungsfähig, aufgeschlossen gegenüber neuen Ideen und nicht zu bremsen. Um das Buch zu schreiben, braucht es von jedem Tier etwas und so steckt sowohl ein Teil der Schnecke, als auch ein Teil des Frosches in mir.

Caroline: Das ist schwierig zu sagen, eigentlich bin ich von beiden Tieren etwas. Kirsten hat eine schier endlose Geduld, wenn es darum geht, die beste Möglichkeit herauszuarbeiten. Insofern ist sie vielleicht mehr Schnecke als ich. Ich bin dann doch etwas mehr Frosch, der hüpft und springt und nicht zur Ruhe kommt. Aber insgesamt sind wir doch sehr ähnlich, sonst hätte dieses Werk nicht entstehen können. Wir haben immer wieder festgestellt, dass unsere gemeinsamen Grundvorstellungen das Fundament für die Entstehung dieses Buches sind.

11. Der Frosch in eurer Geschichte bricht aus und muss hinaus in den Frühling und sich austoben. Ist das nicht gesund? Sollte das nicht jedes Kind tun, um dann wieder mit Lust und Laune zum Üben und zum Instrument zurückkehren zu können?

Ganz genau. So soll es sein. Wichtig ist nur, dass man wie Frosch wieder zurückkommt und weiter macht, dran bleibt. Keine Lust mehr zu haben ist vollkommen normal und in Ordnung. Und auch dieser Phase muss Raum gegeben werden, denn daraus lässt sich auch neue Kraft schöpfen. Genau deshalb lassen wir den Frosch ausbrechen: Man darf Pause machen, sich erholen, was anderes tun, aber man muss dann auch wieder zurückkommen und weiter machen. Es lohnt sich!

12. Habt ihr für Eltern einen Rat, wie man eine gesunde Balance zwischen Üben, Spielen und Entspannen hält?

Ja, das haben wir. Die Eltern sollten mit ihren Kindern gemeinsam dran bleiben, kreativ sein, im Dialog bleiben. Wichtig ist die Konsequenz beim Üben: nicht viel, aber ein bisschen jeden Tag. Dann ergibt sich die Balance von Entspannen und Üben ganz automatisch. Und es darf auch mal Pause sein, aber eben nicht zu lange. Für diese Konsequenz brauchen die Kinder aber die Unterstützung und die Begeisterung der Eltern. Wir können als Lehrer motivieren, Freude vermitteln, Struktur geben – mit Bildern, mit Übeposter, mit Playback etc. Darauf liebevoll achten, dass täglich geübt wird, können wir nicht. Nicht: Du musst jetzt üben, sondern: Komm lass uns zusammen was mit Schnecke und Frosch erleben. Zeig mir mal, wie das geht! Wenn Kinder, Eltern und Lehrer sich auf Schnecke und Frosch einlassen, lässt sich Musik wunderschön erleben!

Die Familien der beiden Autorinnen vereint bei der Hausmusik. Foto: privat