„Was ist eigentlich so schlimm am Duschen?“

„Meinen Buben (sechs und acht Jahre alt) scheint es wichtig zu sein, möglichst schmutzig zu sein und zu riechen. Wenn ich sie auffordere, sich zu waschen, protestieren sie lautstark, rennen weg und verstecken sich sogar. Dabei sind sie gar nicht wasserscheu: Ins Schwimmbad gehen sie gerne – aber ich kann sie ja nicht jedes Mal extra ins Schwimmbad bringen. Außerdem wollen sie sich keine frische Unterwäsche anziehen, obwohl sie dabei nicht mal nass würden. Ich würde gern verstehen, worum es den beiden eigentlich geht.
Haben Sie eine Erklärung?“

Liebe Frau S.,
viele Kinder haben in ihrer Entwicklung eine Phase, in der sie keine Lust auf Hygiene haben. Waschen ist per se eine Routine, die schlichtweg für Kinder oft langweilig ist. Während Kleinkinder oft noch begeistert die Hände waschen, weil sie sich dann groß fühlen und gerne mit Wasser spielen, ist Waschen für Grundschulkinder eher eine lästige Pflicht. Den eigenen Körper erleben Kinder beim Toben und Spielen. Fürsorge für den eigenen Körper gilt es zu lernen. Hier können Eltern durch gemütliches Kuscheln, Streicheln, durch Massagen, durch Bewegungsangebote das Gefühl der Kinder für den eigenen Körper stärken. Manchen Kindern gefällt ein gemütliches Bad mit Schaum. Übrigens ist Baden für einige Kinder oft eine attraktive Alternative zum Duschen.
Natürlich ist es für Eltern anstrengend, wenn Kinder keine Lust aufs Duschen haben.
Manchmal hilft hier nur Gelassenheit, Geduld und Regeln: „Nach dem Klo und vor dem Essen Hände waschen nicht vergessen!“, „Stopp! Erst waschen, dann gemütlich aufs Sofa kuscheln.“
Je selbstverständlicher und klarer Eltern mit diesen Regeln umgehen, desto einfacher ist es für die Kinder. Schwierig finde ich, wenn bei jeder Alltagsaufgabe eine Belohnung folgt. Das macht den Alltag so kompliziert: erst Jacke anziehen, dann ein Smiley.
Kinder erfassen übrigens sehr schnell, wenn Eltern beim Thema „Waschen“ genervt sind. Sie spüren die Anspannung der Eltern, die nach mehreren Verweigerungen schon vorab in Stress geraten, wenn’s um das Waschen geht. Häufig eskalieren Situationen zwischen Eltern und Kindern dann sehr schnell: Waschen wird zu einem Spiel um die Macht: Wer setzt sich durch? Wer verliert? Kinder sind oft bereit, viel Kraft und Fantasie zu entwickeln, um sich durchzusetzen.
Hier brauchen Erwachsene Nervenstärke und Geduld. Vielleicht ist es in so einer Situation gut, die eigene Haltung zu überprüfen: Wieviel Sauberkeit ist unbedingt wichtig und will ich durchsetzen? Wo kann ich erstmal meine eigenen Ansprüche an Hygiene reduzieren?
Manchmal machen Kinder auch eigene Erfahrungen: „Iieeh, du stinkst!“ Äußern dies Gleichaltrige unverblümt, ändern Kinder oft von einem Tag auf den anderen ihr Verhalten. Schließlich orientieren sich gerade Grundschulkinder sehr an ihren Freunden.
Erwarten Sie allerdings nicht, dass Ihre Kinder sich dann mit großer Begeisterung waschen, aber vielleicht in einem für die Umwelt akzeptablen Maß. Ein Schwimmbadbesuch einmal in der Woche ist zumindest eine Möglichkeit, die Hygiene zu verbessern. Hier ist die Regel „Vor dem Schwimmen gründlich duschen“ aber bitte unbedingt einzuhalten.
Viele Eltern befürchten, dass ihre Kinder auch noch als Erwachsene ungewaschen und mit fettigen Haaren durchs Leben gehen. Da kann ich Sie beruhigen. Spätestens in der Pubertät haben Eltern – oft von einem Tag auf den anderen- ein anderes Problem: die Kinder blockieren für Stunden das Bad. Dauerduschen ist angesagt und das ganze Bad dampft und ist überschwemmt. Duschgels, Schampoos und Deos türmen sich auf dem Bord. Die Frisur wird stundenlang gegelt und gestylt.
Und schon ist die Zeit fast vergessen, als die Buben mit Dreckfüssen barfuß auf dem Teppich standen und der Sand aus ihren Haaren rieselte…
Vielleicht beruhigen Sie diese Aussichten.

Anmerkung:
Kinder, die sexuelle Gewalt erlebt haben, reagieren gelegentlich auch mit einer Verweigerung des Waschens – oft geht dieses Verhalten aber noch mit weiteren plötzlichen Veränderungen der Kinder einher.