Was kriegt mein Kind vom Streit mit?

Meine Tochter Jasmin ist 18 Monate alt, aktuell schläft sie ganz schlecht ein. Immer wieder gibt es zwischen mir und meiner Mutter heftige Auseinandersetzungen. Ich bin froh, dass meine Tochter noch so klein ist und nichts davon mitbekommt; sie versteht ja in dem Alter noch gar nicht, um was es geht – Gott sei Dank! Jetzt sagte meine Freundin, dass kleine Kinder Streit und Stress in der Familie auch schon belaste. Kann das sein?

Liebe Frau M., auf den ersten Blick erscheint es logisch, dass ein Kind, das nicht sprechen kann, auch Streitgespräche nicht verstehen könne. Inzwischen weiß man aber, dass der Körper Stressreaktionen und emotionale Erfahrungen von Anfang an wahrnimmt und sogar speichert: „Der Körper vergisst nicht.“
Babys und Kleinkinder nehmen sehr sensibel Gefühle der Erwachsenen wahr, zu denen sie eine Bindung entwickelt haben. Bindung ist ein gefühlsmäßiges Band zwischen Eltern und Kinder. Sie gibt dem Kind ausreichend Sicherheit, sich auf die spannende Welt einzulassen und sie zu erkunden. Immer wieder braucht das Kind den Rückzug zu den vertrauten Bindungspersonen, um ausreichend Sicherheit zu „tanken“.
Sind die Eltern in einer Situation – z.B. bei der Eingewöhnung in der Kita – selbst ängstlich, spüren die Kinder das. Sie sind dann vielleicht vorsichtiger oder bleiben lieber gleich bei Mama oder Papa. Aus Sicht des Kindes ist das emotionale Signal der Eltern: Pass auf, vielleicht lauert Gefahr! Diese Verständigung funktioniert zwischen Kind und Eltern ohne Worte.
Sind Sie als Mutter oder Vater wütend und traurig, spürt das Kind ihre Gefühle. Diese enge Verbundenheit mit den Eltern hilft dem Kind, im Leben zurecht zu kommen. Manche Kinder zeigen ihre Gefühle in diesen Situationen ganz offen: Sie weinen oder schreien. Andere Kinder wirken unbeeindruckt, sind innerlich aber sehr emotional beteiligt und hoch wachsam. Kinder, die Gefühle nicht ausdrücken können, sind oft mehr gestresst als die Kinder, die ihre Gefühle zeigen.

Und was heißt das jetzt?
Eltern werden ihren Kindern Stress und Streit nicht ersparen können – darum geht es nicht. Alle Gefühle gehören zum Leben: Wut und Ärger genauso wie Freude und Begeisterung.
Trotzdem finde ich es wichtig, dass Eltern über die emotionale Sensibilität von Babys und Kleinkindern Bescheid wissen. Nur so können Sie die Kinder in gefühlsmäßig belastenden Situationen schützen und unterstützen.
Ihr Tochter Jasmin ist also schon alt genug, um ihre eigenen Gefühle und die Gefühle der Mama wahrzunehmen.
Vielleicht können Sie Ihre Konflikte mit der Oma in Ruhe ohne Ihre Tochter besprechen. Denn was Kinder besonders belastet, ist das Erleben massiver Konflikte zwischen wichtigen Bezugspersonen.
Ob die Einschlafprobleme Ihrer Tochter tatsächlich mit diesen Konflikten zusammen hängen? Möglich wäre es zumindest.