Wer muss hier zur Erziehungsberatung?

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Ich mache mir wirklich Sorgen um meinen dreijährigen Sohn. Er beißt und haut andere Kinder. Kai ist manchmal richtig gemein, vor allem wenn er seinen Willen nicht bekommt. Nun hat die Erzieherin mir vorgeschlagen, eine Erziehungsberatungsstelle aufzusuchen. Aber ich bin ja eine gute Mutter. Meine Schwester meint auch, ich brauche so etwas doch nicht. Ein bisschen habe ich mich auch über die Erzieherin geärgert. So schlimm ist es auch wieder nicht. Was denken Sie?

Ihre Frage finde ich sehr wichtig und freut mich. Schließlich arbeite ich seit vielen Jahren als Erziehungsberaterin und begleitete Familien.
„Gehen Sie doch einmal zu einer Erziehungsberatung!“ Bei diesem Satz erschrecken viele Eltern. Haben wir denn so viele Probleme, bin ich eine so schlechte Mutter oder ein so überforderter Vater? Früher brauchten wir sowas doch auch nicht, sagen dann vielleicht die eigene Mutter oder der Vater.

Hätten sie auch so reagiert, wenn die Erzieherin gesagt hätte: „Waren Sie mit dem Ausschlag schon beim Arzt? Vielleicht hat der eine Idee.“ Natürlich nicht. Es ist richtig und gut, einen Experten zu fragen. Erziehungsberatung ist als Hilfe für ganz normale Eltern und damit für das Kind gedacht. Wird ein Kind geboren, sind die frischgebackenen Eltern plötzlich mit völlig neuen Themen konfrontiert. Und das Spannende als Eltern ist, dass diese Themen sich mit dem Alter der Kinder laufend wandeln. Wieviel schläft so Baby eigentlich? Plötzlich beißt mich Ronja – beiße ich dann auch? Wie lange darf Jona Handy spielen?

Mutter oder Vater erfüllen eine sehr wichtige Aufgabe für alle: Sie gestalten die Zukunft einer Gesellschaft. Darum ist es gesetzlich so geregelt, dass sie bei dieser wichtigen Aufgabe unterstützt werden. Darum gibt es Erziehungsberatungsstellen, die allen Eltern offen stehen.
In der Erziehungsberatung finden Sie Experten, die mit Ihnen gemeinsam überlegen, wie Sie mit Erziehungsfragen umgehen können. Was tun Sie, wenn ihr Kind nicht einschlafen mag. Wie erklären sie ihrem ängstlichen Kind, dass die Oma gestorben ist, ohne dass es noch ängstlicher wird? Wie lösen Sie Konflikten in der Familie? Wie sind Sie ihren Kindern ein gutes Vorbild beim Geschwisterstreit? Wie bereiten Sie ihr Kind auf eine Trennung vor? Sicher fallen Ihnen beim Lesen noch viele weitere Fragen ein.

Und manchmal ist es gut, eine Beraterin, die außerhalb ihrer Familie oder ihres Freundeskreises steht zu haben, die nicht die besten Freundin ist: „ Meine Jana kann schon lange alleine essen“ – Ich weiß auch nicht, warum es bei Deiner Sophie nicht klappt“, und die nicht die eigenen Mutter ist „Mit dem Jungen wirst du es noch schwer haben! Solche Wutanfälle hattest Du nie!“

In der Beratungsstelle gibt es die Möglichkeit, kostenfrei und vertraulich über Erziehungsfragen zu sprechen. Das Wichtigste dabei ist, dass für Ihre Fragen und Ihre Sorgen als Eltern Zeit und Raum ist. Wagen Eltern den Schritt in die Beratung, sind diese Gespräche für viele Familien sehr wertvoll. Grundhaltung einer Erziehungsberatung ist der wertschätzende Umgang mit den Eltern und der Respekt, dass Sie Ihre Kinder beim gesunden Aufwachsen begleiten.

Erziehung ist manchmal anstrengend, so wunderbar das Leben mit Kindern bestimmt auch ist. Darum ist diese Unterstützung auch keine Kapitulation im Sinne: ich bin keine gute Mutter, darum brauche ich Beratung. Erziehungsberatung ist ein Angebot, auf dass alle Eltern einen Anspruch haben. Darum finde ich auch gut, dass die Erzieherin Sie auf diese Möglichkeit der Hilfe hingewiesen hat. Häufig beraten wir übrigens Eltern und tauschen uns – wenn die Eltern es erlauben – mit den Erzieherinnen und Lehrerinnen aus, damit die Kinder auch in Schule und Kita gut unterstützt werden.

Ich freue mich immer sehr, wenn Eltern sich Gedanken um ihre Kinder machen. Denn eins ist klar: alle Eltern haben Fragen und Unsicherheiten beim gemeinsamen Leben mit Kindern. Und dann ist es gut, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.

Und: Warten Sie nicht zu lange, bis Sie sich Hilfe holen. Sind die Probleme übergroß und haben Sie schon sehr viel Kraft und Nerven im Familienalltag eingesetzt, wird es oft viel länger dauern, bis das Leben mit Ihren Kindern wieder entspannt ist.

Ich weiß selbst, dass es ein großer Schritt ist, einen Beratungstermin zu vereinbaren. Aber wer Kinder hat, der braucht Mut – und das jeden Tag.

Für Eltern der Stadt Ulm und des Alb-Donau-Kreises gibt es übrigens drei Erziehungsberatungsstellen: Die Beratungsstelle der Diakonie, der Caritas und des Kinderschutzbundes.

Bettina Müller Erziehungsberatung

Erziehungsberatung
Die Diplom-Psychologin Bettina Müller vom Kinderschutzbund Ulm/Neu-Ulm beantwortet in „Kinder in der Stadt“ gerne Ihre Fragen rund um die Erziehung, selbstverständlich ohne Namensnennung. Sie erreichen Frau Müller über den Kinderschutzbund Tel. 0731 28042