Haustiere sterben – Soll ich das meinem Kind ersparen?

Meine Tochter Lina (5 Jahre) wünscht sich schon lange ein Haustier. Eigentlich wollten wir ihr einen Hasen nach den Sommerferien kaufen. Aber was ist, wenn das Tier stirbt? Ist es nicht besser Kindern diesen Verlust zu ersparen und keines zu kaufen?

Lieber Herr B.,
Sie stellen eine sehr grundsätzliche Frage: Können Eltern ihre Kinder vor der Erfahrung des Todes schützen? So eine Frage mag auf den ersten Blick im Zusammenhang mit einem Haustier befremdlich klingen. Wer aber schon das Drama in der Familie erlebt hat, wenn der Hamster oder die altersschwache Katze starb, versteht sofort: Für Kinder ist das Haustier ein Familienmitglied. Ob die Oma oder der Hamster stirbt, ist manchmal kaum ein Unterschied.
Genau dies ist häufig das Problem: während die Eltern zwar etwas traurig sind, dass der Hamster tot ist, denken sie vielleicht gleichzeitig sogar erleichtert dran, dass die Urlaubversorgung nicht mehr organisiert werden muss. Das Kind trauert ohne Wenn und Aber. Trauer braucht Zeit und Raum.
Nehmen Sie ihr Kind mit seiner Trauer ernst – überlegen Sie gemeinsam mit dem Kind ein passendes Verabschiedungsritual. Gibt es ein Grab für den Hamster? Braucht es einen Abschiedsbrief? Oder wird eine Blume gepflanzt? Nehmen Sie den Tod des Haustieres zum Anlass, um mit ihrer Tochter über das Thema Tod ins Gespräch zu kommen. Was ist nach dem Tod? Wie funktioniert eine Beerdigung? Wie sieht es im Sarg aus? Kinder haben bei diesem Thema oft ganz konkrete Fragen. Ermöglichen Sie den Kindern durch Bilderbücher zum Thema Tod sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Und vielleicht das Wichtigste: Sind Sie einfach für Ihr Kind da, wenn es traurig ist. Denn Aushalten, wenn das eigene Kind traurig ist, ist für Eltern eine ganz besondere Herausforderung.
Das Gespräch mit den Kindern fordert von Eltern, sich selbst mit dem Thema Tod auseinanderzusetzen. Und letztlich ist es immer ein Gespräch über die eigenen Gefühle und die Beziehung zu anderen Menschen (und Tieren). Darf Ben mit 5 Jahren die tote Großmutter anschauen und sich verabschieden? Darf Jonas wütend sein, dass sein Großvater ausgerechnet an Heilig Abend stirbt- gerade an dem Tag, an dem er doch wie immer unter dem Weihnachtsbaum sitzen soll?
Ich wünsche allen Kindern, dass sie Eltern haben, die über das Thema Tod und Sterben mit ihnen sprechen. „Meine Kinder sind noch viel zu klein!“ ist ein Satz, um sich von dem Thema zu distanzieren. Dabei geht es um den altersgerechten Umgang mit dem Thema. Es wird immer Fragen geben, die Eltern nicht beantworten können. Das macht aber nichts. Haben Sie die Offenheit und den Mut, Ihrem Kind zu sagen, wenn Sie selbst unsicher sind oder gar keine Antwort wissen.
Für Kinder kommt dieses Thema unweigerlich im Laufe ihres Lebens auf sie zu. Manchmal auch sehr unerwartet. Spätestens wenn die eigenen Eltern sterben, ist der Tod real da. Wie oft sagen Menschen dann bedauernd: „Ich hätte gerne mit meinen Eltern über den Tod gesprochen, aber bei mir in der Familie war das kein Thema!“
Tiere bieten Kindern viele Chancen etwas zu lernen. Die Auseinandersetzung mit dem Tod gehört dazu. Ich wünsche Ihnen, dass Sie als Familie diese Chance nützen.