Jungen auf dem Weg zum Mann sinnvoll begleiten

Foto: Boys to Men

Männlichkeit – was ist das eigentlich? So wenig sich diese Frage in der Theorie eindeutig beantworten lässt, so notwendig muss jeder Junge die Antwort für sich in der Praxis leben lernen. Aber wo, und vor allem: von wem? Der Verein „Boys to Men“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Jungen die Vorbilder und die männliche Gemeinschaft zu bieten, die sie brauchen, um zu einem verantwortungsvollen Mann zu reifen.
„Gestandene“ Männer kommen im Alltag eines Jungen kaum vor, weil sie den ganzen Tag beim Arbeiten in irgendwelchen Betrieben sind. Erzogen werden sie in Krippe und Kindergarten von Erzieherinnen, in der Grundschule von Lehrerinnen. Erst in der weiterführenden Schule kommen überhaupt Lehrer in nennenswerter Anzahl vor. Dafür springen den Jungen aus den Medien massenweise Männlichkeitsbilder entgegen, die, vorsichtig ausgedrückt, nicht ganz so hilfreich sind.

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Wenn die Pubertät naht, reicht der eigene Vater als Rollenvorbild nicht mehr aus. Um seinen ganz eigenen Weg zu finden, muss der Heranwachsende möglichst viele Modelle prüfen können, und er braucht eine Gemeinschaft, in die er hineinwachsen kann.
„In früheren Gesellschaften gab es immer Rituale, nach denen Jungen in den Kreis der Männer aufgenommen wurden“, erklärt Karl-Heinz Fekete, der Ansprechpartner für das Regionalcenter Ulm von Boys to Men. „Sie mussten eine Prüfung bestehen und sich dann auch noch in der Gemeinschaft bewähren.“
Einen solchen Initiationsprozess haben die Gründer von „Boys to Men“ 1996 in den USA auf der Basis moderner pädagogischer und psychologischer Erkenntnisse neu entwickelt. In dem gemeinnützigen Verein haben sich engagierte Männer zusammengeschlossen, die als Mentoren für die Jungen da sind. Selbstverständlich müssen diese Mentoren alle zwei Jahre ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen.
Die „Prüfung“ ist bei Boys to Men ein „Abenteuerwochenende“, zu dem die Initianten aus ganz Deutschland anreisen, ohne zu wissen, was sie dort erwartet. Dieser Mut, sich dem Ungewissen zu stellen, ist wichtig; deshalb sind die Inhalte ziemlich geheim, und alle Teilnehmer werden verpflichtet, Stillschweigen zu bewahren. Nur soviel lässt sich Karl-Heinz Fekete entlocken: „Es geht nicht nur um Mutproben – und die sind selbstverständlich nicht unsinnig gefährlich –, sondern auch ganz viel um Selbsterfahrung und das Erleben von Gemeinschaft, um die Suche nach Sinn und der eigenen Rolle.“ Bevor ein Initiant zum Abenteuerwochenende mitfahren darf, führt ein „Boys-to-Men“-Mentor ein eingehendes Gespräch mit ihm und fragt ihn, ob er sich schon bereit fühlt. Der Mentor spricht auch mit den Eltern, die ja einen wichtigen Beitrag auch zu diesem Entwicklungsschritt leisten sollen.
„Interessanterweise sind es fast immer die Mütter, die auf uns zukommen“, ist Karl-Heinz Fekete aufgefallen. „Sie spüren, dass ihre Söhne jetzt was anderes brauchen, etwas, das die Mutter ihnen nicht geben kann.“ Ganz wichtig sei es, dass die Mutter den Sohn nicht selbst darauf anspreche, ob er zu „Boys to Men“ wolle. Denn gerade, wenn er kein Kind mehr, also „reif“ sei, würde er ziemlich sicher ablehnen. Die erste Mutprobe des Wochenendes müssen wiederum die Mütter bestehen: Sie müssen ihre Söhne ganz bewusst loslassen. Dazu wird der Abschied sehr eindrücklich zelebriert.
Die als Kinder Abgereisten kommen vom „Abenteuerwochenende“ als „Journey-Men“, als Junge Männer auf dem Weg, zurück und sind von da an Mitglieder der „Boys to Men“-Gruppe, die sich alle zwei Wochen im Fort Unterer Kuhberg trifft. alg

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