Kinder können Medienkonsum nicht alleine steuern

Liebe Frau Müller, Ihr letzter Artikel war ja spannend – aber wie soll ich die Handynutzung bei meinen Kindern ganz konkret umsetzen, wieviel Handyzeit darf denn bei einem 10 jährigen sein? Und wie kontrolliere ich das?

Liebe Frau M., das ist eine Frage für viele Eltern. Mir ist wichtig, dass Eltern bei der Frage Mediennutzung ihre Verantwortung sehen und übernehmen. Kinder können ihren Medienkonsum nicht alleine steuern, darum brauchen sie die Hilfe durch die Eltern. Außerdem haben die Handys und Computerspiele Suchtpotential: Das Gefühl, nicht aufhören zu können, „nur noch schnell“ was zu Ende spielen, lässt auch viele Erwachsene Zeit und Raum vergessen. Für Kinder ist dieser Sog, den die digitalen Medien ausüben, aus meiner Erfahrung noch größer: Kind sein heißt sich im Spiel zu verlieren, auch im digitalen Spiel.
Im Alltag helfen Regeln, nicht immer neu über die Spielezeit am Computer zu diskutieren. Klare Ansagen wie „Kein Handy beim Essen, Handy erst nach den Hausaufgaben, das Handy wird nach 20 Uhr abgegeben“ etc. helfen, Dauerkonflikte zu vermeiden.
Es wichtig, dass Eltern zu den festgelegten Regeln stehen und bereit sind, deren Einhaltung durchzusetzen. Dazu brauchen Eltern Energie, geduldige Standfestigkeit und Konsequenz. Eine Konsequenz kann bei Nichteinhaltung der Regeln sein, die Zeiten weiter einzuschränken.
Spannend ist auch, eine App auf dem Handy zu haben, die zeigt, wieviel das Handy wofür genutzt wurde. So bekommen Kinder und Erwachsene eine Rückmeldung über ihren eigenen Medienkonsum.
Wie viel Bildschirmzeit ist überhaupt vertretbar? Die Internetseite „Klicksafe“empfiehlt zum Beispiel bei Vier- bis Sechs-Jährigen höchstens 20 Minuten, und das nicht täglich. Bei Sieben- bis Zehn-Jährigen werden höchstens 30 bis 45 Minuten empfohlen – wohlgemerkt, an allen Bildschirmen zusammen, Fernsehen, PC, Konsole und Handy eingeschlossen.
Die Festlegung einer flexiblen Wochen-Nutzungsdauer ist für Kinder schwierig, weil sie den gesamten Zeitraum von einer Woche nicht überblicken. Mir gefällt die Idee von Mediengutscheinen gut: Hier wird die vereinbarte Nutzungszeit eingetragen (z.B. 30 Minuten) und das Kind bekommt eine bestimmte Anzahl Gutscheine in der Woche, die es einlösen darf. So kann es auch einmal zwei Gutscheine an einem Tag einlösen, weil zum Beispiel das Spiel mit dem Freund länger dauert.
Für ältere Kinder ist das Smartphone auch wichtig, um auf zeitgemäß „angesagte“ Weise den Kontakt zu anderen Kindern in der Klasse oder im Freundeskreis zu pflegen: Es gilt dazuzugehören.
Sprechen Sie mit Ihren Kindern darüber: Was sind Gefahren beim Chatten? Wie gehen wir miteinander im Netz um? Was passiert, wenn Du am Wochenende nicht online bist? Was ist anders, wenn der Freund real nach Hause kommt?
Aber auch über Gefahren von Mobbing, Ausgrenzung oder sexuelle Übergriffe im Netz sollten Eltern mit ihren Kindern sprechen, damit sie diese Situationen frühzeitig erkennen und sich Hilfe holen. Meist beginnen diese Gewaltsituationen völlig unbemerkt von den Erwachsenen.
Nutzen Sie als Eltern die Chance, Ihre Kinder von Anfang an bei einem sorgfältigen, sinnvollen und kritischen Umgang mit digitalen Medien zu unterstützen – eine spannende, neue Erziehungsaufgabe, die es in Ihrer Kindheit nicht gab.
Dazu gehört natürlich auch, dass auch die Eltern ihren eigenen Umgang mit dem Smartphone kritisch im Blick haben. Sie sind (wie immer) die Vorbilder für Ihre Kinder. Informieren Sie sich, was ihr Kind mit dem Handy oder am Computer macht, und überlegen Sie gemeinsam mit ihren Kindern Regeln für einen sinnvollen Umgang mit Handy, Computer und Fernseher.