Noch ein Jahr in den Kindergarten?

Meine Tochter Maja wird im November 6 Jahre alt, ab September ist sie dann Vorschulkind. Jetzt bin ich sehr unsicher, ob es die richtige Entscheidung war, sie noch ein Jahr länger in der Kita zu lassen. Zur Zeit spielt sie fast nur mit den „Schulkindern“. Was kann sie dort jetzt noch lernen, wenn die Großen im Herbst eingeschult werden? Gleichzeitig haben die Erzieherinnen mir zu einem weiteren Jahr in der Kita geraten, u.a. weil sie bei Misserfolgen oft weint und sehr schüchtern ist. Maja selbst will sehr gerne in die Schule.

Entscheidungen wie die Einschulung sind für viele Eltern nicht einfach zu treffen. Darum ist es sehr hilfreich mit den Erzieherinnen und der Kooperationslehrerin zu sprechen. Sie erleben Maja in der Gruppe und haben dadurch vielleicht noch einen anderen Blick auf das Kind.
Die Kinder selbst können sich den Schulalltag oft wenig vorstellen- und einmal eingeschult – kann das Kind nicht gleich wieder „ausgeschult“ werden, wenn es doch noch zu jung ist. Darum müssen die Eltern diese wichtige Entscheidung treffen, nicht das Kind.
Ich erlebe häufig, dass das weitere Jahr in der Kita für die Eltern ein größeres Problem ist als für die Kinder. „Mein Kind ist so jung und kann schon in die Schule“, macht viele Eltern stolz. Aber ein Jahr länger in der Kita zu sein, kann auch sehr hilfreich für ein Kind sein.
Erwachsene übersehen leicht, wie schön es für Kinder ist, zu den Großen zu gehören. „Ich bin jetzt die Älteste in meiner Kita!“, sagen Kinder oft sehr stolz. Diese Position ist in der Regel mit mehr Autonomie und Verantwortung verbunden. „Kannst Du heute mal die Stifte in die Malkästen einsortieren?“ Noch heute erinnere ich mich an die Frage meiner Erzieherin und wie begeistert ich damals als fast Sechsjährige mitgeholfen habe.
Oft bilden sich im letzten Kindergartenjahr noch neue Freundschaften und es eröffnen sich neue Wege. „Ben malt gerade immer ganz große Tiere mit Wasserfarben und unterhält sich dabei gerne mit der neuen Praktikantin.“, erzählt die Erzieherin der verblüfften Mutter. „Mein Ben malt?“ fragt sie vorsichtig nach.
Auch können manche Vorschulkinder durch neue Erfahrungen noch etwas Selbstbewusstsein gewinnen. Jüngeren zu helfen und von Kleinen bewundert zu werden, tut Kindern gut. Anderen zu helfen, fördert das eigene Selbstbewusstsein und macht fröhlich. Das ist bei Kindern nicht anders als bei Erwachsenen.
Und vielleicht kann Maja in dem Jahr lernen, mit Gefühlen von Enttäuschung und Trauer umzugehen, das kann jedes Kind für sein späteres Leben gut brauchen. Haben Sie tatsächlich in dem Jahr den Eindruck, dass Maja sich langweilt, gibt es genügend Sport- und Musikangebote für Kinder außerhalb der Kita.
Das Jahr gibt Maja nochmals Zeit zum Spielen auch zu Hause – ohne Hausaufgaben im Hintergrund, die noch fertig werden müssen.
Aber letztlich ist jedes Kind anders und darum ist es so wichtig, dass Eltern die Entscheidung individuell für ihr Kind treffen.
Ich selbst habe nochmals überlegt, was Erwachsene rückblickend über dieses Thema sagen. Bei den vielen Gesprächen, die ich bisher mit Eltern über deren eigene Kindheit geführt habe, habe sehr unterschiedliche Geschichten gehört – den Satz „ Ich habe leider als Kind zu viel gespielt und bin zu spät in die Schule gekommen.“, fiel dabei bisher noch nie.