Wer warten kann, ist unabhängiger

Meine Kinder Josua, 4 Jahre, und Alysha, 7 Jahre, wollen immer alles sofort haben. Aufschieben geht fast nicht. Egal ob es etwas Süßes ist oder ein Spielzeug, das sie sich wünschen. Wenn mein Mann und ich es nicht erlauben, quengeln die beiden, bis wir sehr genervt sind. Wie kann ich meinen Kindern beibringen zu warten?

Gleich vorneweg: Babys müssen nicht warten lernen. Im Gegenteil: Wenn ein Baby weint, ist es ein Signal, dass es Hunger hat, müde ist, zu viel los war etc.. Dann ist es auf Erwachsene angewiesen, die feinfühlig erkennen, was das Kind braucht und dessen Bedürfnisse prompt erfüllt. So entsteht Vertrauen in das Leben und eine sichere Bindung zu den Eltern. Diese Erfahrungen helfen später gut zurechtzukommen. Sicher gebundene Kinder können besser mit Frust umgehen und das brauchen sie auch beim Warten.
Zurück zu Ihrer Frage zum Warten bei größeren Kindern:
Neulich las ich „In den 60igern Jahren konnten Kinder besser abwarten als heute“ – Ob das wirklich stimmt? Damals wurde den Bedürfnissen der Kinder weniger Beachtung geschenkt. Erwachsene setzten oft autoritär oder mit Gewalt Regeln durch. Gehorsam war ein wichtiges Erziehungsziel. Viele Kinder lernten früh, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse nicht zu äußern.
Heutzutage ist es vielen Eltern wichtig, dass ihre Kinder eine eigene Meinung haben und sich selbstbewusst durchsetzen. Und dann üben die Kinder das ganz praktisch zu Hause: „Mama, ich will jetzt sofort dieses Auto!“ – Diese Ankündigung verspricht einen anstrengenden Einkaufsnachmittag. Gleichzeitig können Eltern sehr stolz sein: „Mein Kind sagt, was es will!“
Nun gilt es in einem zweiten Schritt, das Warten zu lernen, also zu akzeptieren, dass nicht alles gleich und sofort geht. Dies zu lernen macht niemandem Spaß- das geht Kindern nicht anders als Erwachsenen. Warten Erwachsene an der Tankstelle auf eine freie Tanksäule, ist das gut beobachtbar. Es gilt die Gefühle von Ärger, Wut und Enttäuschung auszuhalten. Kinder brauchen dabei die Begleitung von Erwachsenen, die diese Gefühle benennen. „Das ist traurig, dass wir nicht alles sofort kaufen können“. Gleichzeitig ist es die Realität: vieles geht nicht sofort, Dinge kaufen will überlegt sein.
Eltern, die sich starke Kinder wünschen, müssen sich auf intensive Auseinandersetzungen einstellen. Kinder, die nicht locker lassen, brauchen Eltern, die sich vorher überlegen, was ihre eigene Haltung ist und die ihre Meinung dann geduldig und klar vertreten.
Schwierig wird es, wenn Eltern nach viel Quengeln und vielen „Nein, das bekommst Du jetzt sicher nicht!“ oft doch noch Ja sagen. Diese Erfahrung verunsichert Kinder übrigens sehr, und die Botschaft „Quengeln hilft zu bekommen, was Du willst!“ hilft weder Eltern noch Kindern.
Langsamkeit, Warten, Langeweile sind kostbare Lernerfahrungen für Kinder. Gönnen Sie ihren Kindern diese und begleiten Sie ihre Kinder dabei – denn Kinder, die abwarten können, sind unabhängiger von anderen und vielleicht auch ein bisschen glücklicher….